JRA135 – Warum müssen Schulen sich aktiv mit Social Media auseinandersetzen?
Jöran ruft an bei Silke Müller – eine Episode aus der Extra-Staffel Hashtag #trotzdem




Eine Anmerkung für alle, die diesen Text in ferner Zukunft lesen: 2015 war es in Deutschland die Ausnahme von der Regel, wenn digitale Medien im Schulunterricht genutzt wurden. Fast alle anderen gesellschaftlichen Bereiche waren vom digitalen Wandel erfasst worden – alleine das Bildungswesen und insbesondere die Schule zögerten. 2015 war die Entscheidung für digitale Medien im Unterricht maßgeblich davon abhängig, ob sich einzelne Schulleitungen und vor allem Lehrkräfte mit individuellem Engagement auf neue Wege wagten.

„Der erste Schnitt geht in die linke Herzhälfte. Wir schneiden hier vom Herzohr nach unten zur Herzspitze“, erklärt die Stimme von Frank Lohrke, Lehrer an der Realschule am Europakanal in Erlangen. Lohrke steht zwar gerade vor seiner Biologie-Klasse. Seine Stimme kommt aber von einem YouTube-Clip. Das Video haben schon 10.000 Personen angesehen. Dabei hat Lohrke es eigentlich nur für seine Biologiestunden gemacht. Die Schüler schauen sich das Video als Vorbereitung zu Hause an. Das digitale Sezieren wird nicht etwa als abstrakter Ersatz der Praxis genutzt, sondern zur Verbesserung der Übung. In der Unterrichtsstunde liegt vor jedem Schüler ein Schweineherz und ein iPad. Die Schüler schneiden nun selbst das Herz auf und nutzen das Video als Vorlage. Dafür können sie das Video immer wieder auf Pause stellen oder zurückgehen, um sich einen Schritt noch einmal anzuschauen.
Keine Filterblasen, keine Steuerung durch Algorithmen – „Wir wollen mehr Freiheit im Netz!“, fordern die beiden Schülerinnen Sofia Malinari Domagk und Katharina Oppel.


Wenn man die Kiebitzklasse in der Inselschule Langeoog besucht, dann kann es sein, dass die Drittklässler gerade höchst unterschiedliche Dinge machen. Sie arbeiten an ihrem Wochenplan, für den Lehrerin Christian Schicke ihnen verschiedene Aufgaben gegeben hat. Schicke setzt analoge Lernbausteine gleichberechtigt zu Übungsprogrammen im Web, als Apps oder auf CD-ROM ein. Manche Kinder vertiefen ihr Zahlenverständnis mit der Mumin-Mathe-App, andere üben Rechtschreibung mit den Deutschpiraten. Dabei setzt Schicke Schüler als Multiplikatoren ein: „Wenn einzelne Kinder bestimmte Programme beherrschen, dann kann man andere Kinder dazu setzen, die sich das abgucken oder erklären lassen.“

Das große Blogprojekt in der Projektwoche der Hamburger Zwölftklässler beginnt offline, an einem physischen Ort: der KZ-Gedenkstätte Neuengamme. Ein Guide der Gedenkstätte hält keinen langen Vortrag, sondern übernimmt eine besondere Rolle. Sie hilft bei der Orientierung: „Wo sind wir? Was gibt es hier? Was findet man wo in der Gedenkstätte?“ und begleitet danach die Schüler als „Guide by the side“, indem sie sich auf Anfrage zur Beratung zu Verfügung hält. Denn die Schüler erkunden das Gelände selbständig nach eigenen Interessen. In kleinen Gruppen ziehen sie los und haben als Arbeitsauftrag nur: „Fotografiert alles, was Euch besonders anspricht, ob positiv oder negativ.“

Unter www.classroom4wiki.eu findet man ein Schulbuch zur europäischen Kulturgeschichte. Der Geschichtslehrer Daniel Bernsen gehört zum Gründungsteam der Online-Plattform. Die Überschriften der Artikel lauten zum Beispiel „Die Daguerrotypie – Einführung der Fotografie in Koblenz“, „Postzensur nach dem Ersten Weltkrieg“, „Tasteninstrumente – eine Einführung“ oder „Portraitkünstler Januarius Zick (1737-1790)“. Es gibt Artikel auf Deutsch, Englisch, Französisch, Niederländisch und Spanisch. Was man auf den ersten Blick nicht unbedingt erkennt: Die Autoren der Inhalte sind Schüler aus verschiedenen Ländern Europas. Einige von ihnen stammen aus dem Eichendorff-Gymnasium Koblenz und haben ihre Essays im Leistungskurs Geschichte bei ihrem Lehrer Daniel Bernsen geschrieben.
Heute kursierte diese Infografik in meiner Timeline: „Wem die Deutschen bzgl. des sorgsamen Umgangs mit persönlichen Daten vertrauen.“ Man weiß gar nicht, ob man lachen oder weinen soll. Ich habe mal die alternative Version „Wunschtraum eines Medienpädagogen“ dazu gemalt.